Samstag, 15. April 2017

|Rezension| "Some Kind of Happiness" von Claire Legrand

Some Kind of Happiness | Claire Legrand | Simon & Schuster | Englisch | Hardcover | ca. 15€ | Kaufen?
 
THINGS FINLEY HART DOESN’T WANT TO TALK ABOUT

• Her parents, who are having problems. (But they pretend like they’re not.)
• Being sent to her grandparents’ house for the summer.
• Never having met said grandparents.
• Her blue days—when life feels overwhelming, and it’s hard to keep her head up. (This happens a lot.)

Finley’s only retreat is the Everwood, a forest kingdom that exists in the pages of her notebook. Until she discovers the endless woods behind her grandparents’ house and realizes the Everwood is real--and holds more mysteries than she'd ever imagined, including a family of pirates that she isn’t allowed to talk to, trees covered in ash, and a strange old wizard living in a house made of bones.

With the help of her cousins, Finley sets out on a mission to save the dying Everwood and uncover its secrets. But as the mysteries pile up and the frightening sadness inside her grows, Finley realizes that if she wants to save the Everwood, she’ll first have to save herself.

 
Hier kann ich euch nicht nur das Lied ans Herz legen: Der gesamte Film ist unheimlich sehenswert und wunderschön gestaltet!

 

Vielleicht geht es euch auch so und ihr habt manchmal einfach die Nase voll von den „typischen YA-Büchern“. Von romantischen Beziehungen und sehr auf sich selbst fokussierte Protagonistinnen und Weltretterplots. Mir geht es zumindest so, dass ich immer mal wieder einfach mal ein Buch über Freundschaft lesen will, über kindliche, unschuldige, zuckersüße Freundschaften. Ein Buch über Familie, über wärmende Elternhäuser und Geschwistergezänk und Plätzchenbacken. Eben ein Buch, was einen ein bisschen an die eigene Kindheit erinnert, aber ohne dabei langweilig oder vorhersehbar zu sein. Zugegeben, Some Kind Of Happiness war nun kein Buch, welches mich hat Strahlend und Lachend vor den Seiten hat sitzen lassen, was mich zum Grinsen gebracht hat und locker leicht zu lesen war. Dies auf keinen Fall. Trotzdem hat mir das Buch, diese Middle Grade Geschichte, etwas gegeben, wonach ich schon so lange in YA Suche.



In dem Buch geht es um die elfjährige Finley Hart, welche unter Depressionen und Angstzuständen leidet und sich daher am liebsten in die Welt der Worte zurückzieht, um Geschichten über die magische Welt in ihrem Kopf zu schreiben. Als aber ihre Eltern den Sommer über ihre „Probleme“ ausarbeiten wollen, schicken sie Finley zu ihren Verwandten, welche Finley noch nie zuvor getroffen hat. Und ebendort erlebt Finley einen Sommer, den sie wohl nie vergessen wird.


Das Buch klang, um ehrlich zu sein, ziemlich harmlos. Ein kleines Mädchen fährt zu ihren Verwandten, die sie nicht kennt, um dort einen Sommer zu verbringen und zu sich selbst zu finden. Süßes, fluffiges Middle Grade, gut für zwischendurch. Das war es allerdings ganz und gar nicht.
Begonnen habe ich das Buch mit einer komplett anderen Erwartungshaltung, aber das, was ich im Endeffekt bekommen habe, war so viel besser und tiefgründiger, als ich es erwartet hatte. Die Story erzählt abwechselnd von Finley selbst und ihren Geschichten über den magischen Everwood Wald, welche aber schnell eine metaphorische Aufgabe bekommen und Finleys Leben und Erfahrungen in einen anderen Kontext wiederspiegeln, aber dem Buch dadurch eine ganz eigene, magische Ader geben. Gerade für jüngere Leser werden hier viele doch recht harte und graphische Szenen kindgerecht erzählt, zwar gruselt man sich bei der einen oder anderen Beschreibung von dunklen Geistern und toten Zauberern, aber auf diese Weise wirkt das geschilderte Erlebnis immer mehr wie ein Märchen, als wie etwas, was Finley wirklich erlebt. Denn das ist gar nicht so locker-leicht-fluffig, wie man sich vielleicht vorstellen mag.

Zuerst einmal: Was ich vorher nicht wusste, da ich den Klappentext nicht lesen wollte, war, dass das Buch vor allem auch von Finleys psychischer Krankheit handelt. Auch, wenn ich nicht weiß, ob mir so ein Statement zusteht, möchte ich trotzdem hervorheben, dass ich die Darstellung von Finleys Depressionen und ihren Angstzuständen außerordentlich gelungen fand. Ihr Gefühlszustände und Gedanken waren voller Authentizität und haben mich mitten ins Herz getroffen. Sie beschreibt nicht nur viele der typischen Symptome und wie diese ihren Alltag beeinflussen, sondern lässt auch unglaublich viele Gedanken und persönliche Entwicklungen durchblitzen und schafft damit nicht nur ein durchaus realistisches und komplexes Bild dieser psychischen Krankheit, sondern schafft es auch, ihre eigene Persönlichkeit herauszuarbeiten, ohne dabei stereotyp zu werden. Ihre Depressionen sind ein Teil von ihr, aber eben auch nur ein Teil von vielen anderen Teilen.

Dies trifft nicht nur auf Finley zu: Insgesamt glänzen alle Charaktere mit überraschender Tiefe. Keine von ihnen ist nur schwarz oder weiß, sie alle zusammen sind ein leuchtender Regenbogen aus tausend kleinen Puzzleteilen, die sich erst nach und nach in der Geschichte zusammensetzen. Charaktere entwickeln sind und im Endeffekt war die gesamte Personenkonstellation herrlich komplex gestaltet, sodass man manchmal wirklich vergas, dass man hier ein Kinderbuch liest.

Auch die Story an sich ist nicht im geringsten vorhersehbar oder gar „zahm“ gehalten, ganz im Gegenteil: Manchmal hatte ich das Gefühl, dass eine derart verwobene Story mit derart harten Themen vielleicht sogar schon etwas zu doll wären für den einen oder anderen jungen Leser. Ich allerdings war uneingeschränkt gefesselt von der Geschichte, die Legrand hier zusammenwebt. In vielerlei Hinsicht erinnert das Buch wirklich an eine geniale Mischung aus The Addams Family, The Princess Bride und einer großen Portion We Were Liars, aber nicht in einer plakativen Art und Weise, sondern eher in dem Sinne, dass sich das Buch sehr auf eine Familiendynamik bezieht, welche durch Geheimnisse und Verschwiegenheit gekennzeichnet ist. Denn auch die Harts sind eine Familie, bei denen Unannehmlichkeiten und alles, was nicht in das Bild ihrer perfekten, schönen Familie passt, einfach verdrängt und vergessen wird, abgeschlossen in ihrem Herzen, vergraben, damit abends wieder alle zusammen lächelnd am Tisch sitzen, obwohl sie eigentlich weinen möchten. Dieses riesige Konfliktpotenzial wurde so genial von der Autorin genutzt, um Spannung zu erzeugen, den Charakteren Tiefe und Dynamik zu verleihen und die Story insgesamt auf ein komplexeres Level zu heben. 


Dazu analog all die Dinge, die Finley erlebt, auch noch in einer Fantasygeschichte niederzuschreiben und diese mit der eigentlichen Handlung zu verknüpfen fand ich einfach genial! Besonders in den Kapiteln über den Everwood Wald hat Legrand mehrfach beweisen können, wie wunderbar sie schreiben kann. Denn gerade diese Kapitel wirken angenehm märchenhaft, sprühen vor Fantasy und brechen ernsthafte und teilweise sehr brutale Themen auf eine kindgerechte(re) Ebene herunter, welche aber auch für ältere Leser Spannung bereithält.


Und obwohl das Buch wirklich viele ernste Themen aufgreift, die den Leser Tränen in den Augen treiben und ein permanentes Gefühl der Beklemmung auslösen, war dieses Buch trotzdem unglaublich schön. Ich habe die Freundschaft zwischen Finley und ihren Cousins geliebt, die Freundschaft zwischen ihr und den Baileys und die Art und Weise, wie dieses Buch bewiesen hat, dass wir die Welt manchmal mehr mit den Augen eines Kindes sehen sollte. Es war einfach wunderschön, wie die Kinder in diesem Buch Vorurteile hinterfragt und sie für falsch erklärt haben, wie sie selbst mehr und mehr für sich entschieden haben, was richtig und was falsch ist und wie sie Fehler machen dürfen, nur, um daraus zu lernen. Und natürlich: Ich liebe es, wie viel unschuldige, grenzenlose Fantasien Kinder an den Tag legen, wenn man ihnen den Freiraum dafür gibt.
Aber sowieso hat das Buch viel zu sagen, wenn es darum geht, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen, besonders denn, wenn es um Familien geht. Es war so schön zu sehen, wie dieses Buch zwar von zerbrochenen Familien erzählt, von Krankheiten und Problemen und Lügen und Hass, aber wie es auch davon erzählt, dass man Fehler wieder gut machen kann, dass man vergeben kann und sollte und dass egal, was passiert, man in den meisten Fällen dennoch seine Familie mit seinem ganzen Herzen und ganzen selbst liebt.


Und nicht nur seine Familie: Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Buch ist definitiv Finleys Weg dahin, sich selbst so zu lieben und zu akzeptieren, wie sie ist. Zu akzeptieren, dass es okay ist, Hilfe zu brauchen, dass es okay ist, traurig zu sein, auch, wenn es wie das unlogistische auf der Welt erscheint. Aber auch, dass sie nicht gebrochen oder falsch ist, sondern dass sie aus tausend verschiedenen Teilen besteht und so richtig ist, wie sie ist.

Besonders das Ende des Buches hat mich noch einmal unglaublich geschockt, mir Tränen in die Augen getrieben und mir ein weiteres Mal gezeigt, warum dieses Buch so wunderbar und wichtig zugleich ist.

Etwas, was Finley in diesem Buch kontinuirlich macht, ist Listen anfertigen, deswegen möchte ich euch im Fazit nun noch einmal auflisten, warum dieses Buch so wunderbar und lesenswert ist:
Das Buch ist nicht nur Fantasy und nicht nur Contemporary und nicht nur Middle Grade, ist es von allem ein bisschen und legt sich nicht fest und ist genau deswegen so richtig, wie es ist.


  • Finley hat Depressionen und Angstzustände und das wird auch thematisiert, und zwar nicht nur nebenbei, sondern wirklich, in allen seinen Facetten und Auswirkungen, was für mich einen großen Pluspunkt für Repräsentation gibt. Es gibt mehr depressive Kinder dort draußen, als uns wohl lieb ist, und besonders als Kind ist es schwer, mit unerklärter Traurigkeit, Motivationslosigkeit und anderen Symptomen einer Depression umzugehen. Es freut mich also, dass Legrand offensichtlich daran gedacht hat, dass ein möglicher junger Leser mit ähnlichen Symptomen in diesem Buch Identifikation und wärmende Hilfe findet

    Trotz Middle Grade spart dieses Buch nicht an Komplexität und Spannung und ist bis zum Ende hin durchgehend spannend und mitreißend, erzählt von Familiengeheimnissen und Selbstakzeptanz und Freundschaften, die jeder Herausforderung trotzen.

    Selbst komplizierte oder harte Themen werden aufgeriffen, aber kindgerecht verpackt in Legrand wunderschönen Schreibstil, der aber den Themen an sich keinen einzigen Zug Spannung nimmt.

    Ja, das Buch ist traurig, hat mich in Tränen und schweren Herzen vor den Seiten sitzen lassen, aber das Buch ist vor allem wunderschön, wenn es von Zusammenhalt, Freundschaft, Familie, Vergebung, falschen Vorurteilen, die Macht des Kindseins und epischen Baumhausparties erzählt

    Ich weiß nicht, ob die Liste so lang sein sollte, aber dieses Buch hat einfach so viele wunderbare Aspekte, die mich zum Nachdenken, weinen und Lachen gebracht haben, dass ich sie gerne alle listen würde, aber stattdessen sage ich einfach: Lest dieses Buch!

Ich vergebe 4,5 Sterne für diese wunderschöne Middle Grade Geschichte! 


 

2 Kommentare:

  1. Hallo Kücki,

    erstmal: eine wirkliche schöne und gelungene Rezension, die mich ziemlich neugierig auf das Buch macht, und das obwohl ich eigentlich eher selten Kinderbuch lese.
    Aber deine Beschreibung erweckt den Eindruck eines magischen, zauberhaften Buches, das es durchaus wert ist, gelesen zu werden. Vor allem aber überrascht es mich, dass es Depressionen thematisiert, und gerade auf diese Umsetzung wäre ich dann doch gespannt, zumal du sie als sehr gelungen beschreibst.
    Von daher behalte ich diese Geschichte mal im Auge. :)

    Liebe Grüße
    Dana

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  2. Hallo,

    eine gelungene Rezension, denn sie macht mich sehr neugierig auf das Buch. Ich habe vor einiger Zeit "Das Haus der verschwundenen Kinder" von der Autorin gelesen und war da schon fasziniert, wie "anders" das Buch ist und wie gut die Autorin schreiben kann (gerade was fantastische Inhalte betrifft). "Some Kind of Happiness" ist direkt auf meinen Wunschzettel gewandert und wird sicher bald gekauft. Danke für den Tipp!

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